Schiffsmodell "Mayflower", 1963/65

Die Geschichte der Mayflower wurde in England beispielsweise erst im viktorianischen 19. Jahrhundert wiederentdeckt und als Abenteuer- und Liebeserzählung vermarktet. In der US-amerikanischen Geschichtsschreibung gehört die Mayflower und der Mythos der Pilgrim Fathers zu den Grundpfeilern der gesamten Nation, behaupten sich hier doch die Vorfahren aller US-Amerikaner:innen gegen mannigfaltige Gefahren. Aber selbst der Rückgriff auf den Mayflower-Mythos ist ein relativ neues Phänomen. So dankt der 34. Präsident der USA Dwight D. Eisenhower in seiner Rede zum Thanksgiving Day 1956 explizit den Pilgrim Fathers als Gründer der Nation. Er tut dies in einer Zeit, in der die USA sich nach dem 2. Weltkrieg als Gesellschaft neu zusammenfinden müssen und die Geschichte der Mayflower beinhaltet Erzählungen von Zusammengehörigkeit, Überwindung schwerer Zeiten und Glaube an die Demokratie. In heutiger Zeit steht die Mayflower auch für eine eurozentrische Geschichte des Kolonialismus, bei der die Perspektive der Native Americans zum Großteil ignoriert wird. Beide Interpretationen sind von ihrem jeweiligen Standpunkt und Kontext heraus nachvollziehbar. Der Blick in die Vergangenheit lässt viele verschiedene Lesarten zu und wird stets von der soziokulturellen und politischen Gemengelage beeinflusst. Was bleibt ist das Modell als Projektionsfläche einer aktiven, fluiden Geschichtsschreibung. Heike Schwarzwälder, Frau des Bremer Stadt- und Heimatforschers Harry Schwarzwälder (1929-2019), hat dem Deutschen Auswandererhaus diese detailgetreue Nachbildung der Mayflower überlassen. Harry Schwarzwälder und sein Bruder Herbert Schwarzwälder haben sich wie kaum jemand, um die Geschichte Bremens und seiner Umgebung verdient gemacht. Harry Schwarzwälder arbeitete im Amt für Straßen- und Brückenbau und widmete auch seine Zeit als Historiker und „Chronist der Bremer Geschichte“ der Bremer Infrastruktur. Mehrere Male erhielt Harry Schwarzwälder den Bremer Preis für Heimatforschung und 2014 den Preis für sein Lebenswerk der Wissenschaftliche Gesellschaft der Freien Hansestadt Bremen.
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© Sammlung Deutsches Auswandererhaus, Schenkung Heike Schwarzwälder

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